Corona-Impfung bei Kindern und Lösung bei Uneinigkeit der Eltern
Nachdem bereits der Großteil der Erwachsenen geimpft worden ist, stellt sich nun die Frage, wie es mit der Impfung von Kindern sowie Jugendlichen aussieht. Dabei gibt es neben medizinischen Fragen auch Rechtsfragen, welche geklärt werden müssen. Dieser Beitrag hilft Ihnen dabei einen Überblick zu verschaffen, worauf Sie achten sollten.
Welche Fragen beantwortet dieser Beitrag?
1) Wie ist die allgemeine Praxis bei Schutzimpfungen von Kindern und Jugendlichen?
2) Wer darf rechtlich über Schutzimpfungen von Kindern und Jugendlichen entscheiden?
3) Wer entscheidet, wenn Eltern sich uneinig sind?
4) Ist die Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche zulässig?
5) Darf mein Kind selber über die Impfung entscheiden?
1) Wie ist die allgemeine Praxis bei Schutzimpfungen von Kindern und Jugendlichen?
Bevor bei Kindern und Jugendlichen eine Schutzimpfung erfolgt, sollte stets durch einen Arzt die Impffähigkeit überprüft werden. Bezüglich der genauen Impfungen sind die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts zu beachten. Empfohlen werden allgemein die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) sowie Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis B.
2) Wer darf rechtlich über Schutzimpfungen von Kindern und Jugendlichen entscheiden?
Grundsätzlich entscheidet das Elternteil über eine Schutzimpfung, welches auch das Sorgerecht über das Kind hat. Dabei ist zu beachten, dass eine Impfung rechtlich sowohl als Alltagsangelegenheit insbesondere allgemeine medizinische Vorsorge aber auch als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zugeordnet werden kann.
3) Wer entscheidet, wenn Eltern sich uneinig sind?
Eltern, die getrennt leben oder geschieden sind, üben in der Regel das Sorgerecht für ein minderjähriges Kind gemeinsam aus.
Hier stellt sich für Eltern die Frage, wer nun bei Uneinigkeit der Eltern über eine Schutzimpfung entscheidet. Rechtlich gesehen kann dabei gemäß § 1628 BGB eine gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern erfolgen. Dies setzt voraussetzt, dass die Impfung des Kindes als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung einzuordnen ist. Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt hat ein Gericht nun beschlossen, dass das Elternteil über die Schutzimpfung entscheiden darf, welches den fachlichen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission folgt.
Hierzu: Beschluss des OLG Frankfurt (Beschl. v. 08.03.2021, Az. 6 UF 3/21) 🔗
„Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. So hat jüngst das Oberlandesgericht Frankfurt für ein Kind entschieden, dessen Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben.“ so Rechtsanwältin Funda Altun-Osterholt
Gesetzestext
§ 1628 BGB [Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern]
- Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen.
- Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden
4) Ist die Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche zulässig?
Nach aktueller Stellungnahme der Ständigen Impfkommission, zuletzt im August 2021, ist nun die Frage nach der Zulässigkeit für die Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen geklärt. Dabei ist eine Impfung nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Jugendlichen beziehungsweise der Sorgeberechtigten möglich. Eine ausdrückliche Empfehlung für die Impfung von allen Kindern und Jugendlichen fehlt. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission bezieht sich nur auf Kinder mit Vorerkrankungen und nur mit dem mRNA-Präparat von BioNTech und Pfizer, welches durch die EU-Arzneimittelbehörde geprüft und von der EU-Kommission zugelassen wurde. Vorerkrankungen können dabei sein: Adipositas, Immundefizienz, Herzfehler, Herzinsuffizienz, Lungenerkrankung, Niereninsuffizienz, muskuläre Erkrankungen, Tumorerkrankungen, Trisomie 21, Diabetes mellitus. Außerdem wird auch die Impfung für Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren empfohlen, wenn sich in deren Umfeld Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können.
Hierzu: Stellungnahme Ständige Impfkommission, 9. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 19.08.2021 🔗
5) Darf mein Kind selber über die Impfung entscheiden?
Aus rechtlicher Sicht ist bei medizinischen Maßnahmen die Einwilligungsfähigkeit des Kindes notwendig, sodass es Vor- und Nachteile von solchen Maßnahmen abwägen kann. Die Einwilligungsfähigkeit ist wie auch die Strafmündigkeit bei Kindern in der Regel ab 14 Jahren gegeben, wobei es immer auf die individuelle Reife eines Kindes ankommt. Möglicherweise kann sich ein Kind also gegen eine Impfung entscheiden, wenn es einwilligungsfähig ist und diese nicht akzeptiert, nachdem es von einem Arzt über die Risiken aufgeklärt wurde.
In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Frankfurt a.M. am 17.08.2021 im Falle eines 16-Jährigen entschieden, dass auch ein Kind in diesem Alter auf die Einwilligung der Eltern angewiesen ist.
Die Entscheidung über die Covid-19-Impfung ist eine Angelegenheit bei der nach § 1628 S. 1 BGB bei Uneinigkeit der Eltern die Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil übertragen werden kann. Jedoch ist auch der Kindeswille zu beachten und zwar folgt dies aus dem Kindeswohlprinzip im Sinne des § 1697 a BGB. Dabei kann das Kind, wenn Alter und Entwicklungsstand es ermöglichen, eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden.
Bei Uneinigkeit der Eltern über die Entscheidung einer Impfung eines Kindes ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission wegweisend.
Kinder und Jugendliche können Sich auch anders als ihre Eltern entscheiden, wenn sie einwilligungsfähig sind.
Vereinbaren Sie einen Beratungstermin bei:
- Funda Altun-Osterholt 🔗 Familienrecht – Telefon: 02103 995 41 72
- Brigitta Raguz, LL.M.🔗 Familienrecht und Medizinrecht – Telefon: 02103 995 41 71
____________________________________________________
Weitere Beiträge zu diesem Thema:
Test- oder Impfpflicht bei der Arbeit. Arbeitsrecht aktuell 🔗
Wird der Corona-Kinderbonus auf den Kindesunterhalt angerechnet? 🔗