Kein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch nach Annahme eines Vermächtnisses

Das Oberlandesgericht München entschied in seinem Urteil vom 21.11.2022, Az.: 33 U 2216/22 🔗, dass Pflichtteilsberechtigen, die ein Ihnen zugedachtes Vermächtnis in Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs annehmen, keine Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche, welche ihnen nach dem Pflichtteilsrecht zustehen würden, mehr zustehen. Vielmehr erlöscht der Pflichtteilsanspruch durch die Annahme des Vermächtnisses in Höhe des Pflichtteilsanspruch vollständig.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ehepartner hatten sich gegenseitig in einem notariellen Ehe- und Erbvertrag als Alleinerben eingesetzt. Die Ehefrau und Mutter des Klägers verstarb zuerst. Zugunsten des Klägers und zulasten des Erben wurde ein Vermächtnis angeordnet, welches wie folgt lautete:

„Der überlebende Eheteil hat jedoch den Abkömmlingen des zuerst versterbenden Eheteils vermächtnisweise eine Summe auszuzeigen, die gleich ist dem Werte des diesen Abkömmlingen gesetzlich gebührenden Pflichtteils.“

Der Kläger hatte das Vermächtnis angenommen und nahm den Ehemann der Erblasserin auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, sowie Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses, in Anspruch.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht legte der Ehemann der Erblasserin dem Kläger ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis vor. Daraufhin wies das Landgericht den Auskunftsanspruch des Klägers mit der Begründung ab, dass der Anspruch des Klägers auf Auskunft erfüllt sei, da dieser lediglich auf § 242 BGB 🔗 als Anspruchsgrundlage zurückgreifen könne und § 2314 BGB 🔗 nicht anwendbar sei.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.

Das OLG München bestätigte in seinem Urteil vom 21.11.2022, Az.: 33 U 2216/22, die Entscheidung des Landgerichts und kam zu dem Ergebnis, dass das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe.

Dies begründete das OLG wie folgt:

Dem Kläger stehe, als Vermächtnisnehmer, zwar ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB zu, welcher jedoch mit Übergabe des privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses erfüllt wurde. Weitergehende Ansprüche auf Auskunft oder auf Wertermittlung stehen dem Vermächtnisnehmer vorliegend jedoch nicht zu.

Zwar könne der Erblasser dem Vermächtnisnehmer durch Verfügung von Todes wegen neben dem Vermächtnisgegenstand auch die zur Durchsetzung des Vermächtnisses gegebenenfalls erforderlichen Ansprüche auf Auskunftserteilung und Wertermittlung vermachen, dies war vorliegend jedoch gerade nicht der Fall:

Im notariellen Ehe- und Erbvertrag fand sich weder eine ausdrückliche Anordnung dahingehend, dass auch Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche vermacht werden sollten. Noch ergab sich dies im Wege einer Auslegung des Ehe- und Erbvertrages. Die Formulierung im Ehe- und Erbvertrag spreche eher für einen reinen Zahlungsanspruch, welcher vom überlebenden Ehegatten ermittelt werde.

Der Kläger könne seine Ansprüche auch nicht auf § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB stützen, da ein solcher Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch dann nicht mehr bestehe, wenn ein Pflichtteilsanspruch nicht mehr bestehe, wie vorliegend. Durch die Annahme des Vermächtnisses, in Höhe seines Pflichtteilsanspruch durch den Kläger, ist sein Pflichtteilsanspruch vollständig erloschen.

Ein auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und ein Wertermittlungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Da es dem pflichtteilsberechtigen Vermächtnisnehmer gemäß § 2307 BGB freistehe, das Vermächtnis auszuschlagen und stattdessen seinen Pflichtteil geltend zu machen, ist nicht ersichtlich, wieso dem Pflichtteilsberechtigten, der sich zur Annahme des Vermächtnisses entschließt, dieselben Rechte zustehen sollen wie einem Pflichtteilsberechtigten.

Fazit:

Aufgrund dieser Entscheidung sollten Pflichtteilsberechtigte, bevor sie ein Vermächtnis annehmen, überprüfen, ob sie sich durch die Annahme des Vermächtnisses nicht eventuell Rechte abschneiden.

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