Verjährung von Pflichtteilsansprüchen bei Irrtum über die Unwirksamkeit des Testament

Urteil des OLG Hamm vom 02.03.2023, Az. 10 U 108/21 🔗 zur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen bei Irrtum über die Unwirksamkeit des Testament. Die dreijährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteils ist ausnahmsweise nicht abgelaufen. Die erforderliche Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung kann helfen, wenn der Berechtigte irrtumsbedingt davon ausgeht, dass die letztwillige Verfügung unwirksam ist. Dabei muss der Irrtum auf von nicht von der Hand zu weisender Wirksamkeitsbedenken beruhen.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser, setzte seinen einzigen Sohn aus dessen geschiedener erster Ehe, in einem Testament zu seinem Alleinerben ein. Einige Zeit später widerrief der Erblasser das erste Testament und setze seine zweite Ehefrau, die Beklagte, in einem zweiten Testament als Alleinerbin ein.

Der Sohn war der Auffassung, er sei Alleinerbe geworden. Das zweite Testament, wonach die zweite Ehefrau Alleinerbin werden sollte, hielt der Sohn für unwirksam. Der Erblasser soll zur Zeit der Errichtung des zweiten Testaments dement und nicht testierfähig gewesen sein. Der Sohn des Erblassers stellte einen Erbscheinsantrag. Die zweite Ehefrau vertrat hingegen die Auffassung, dass sie Alleinerbin geworden sei und stellte ebenfalls einen Erbscheinsantrag. Dieser sollte sie als Alleinerbin ausweisen. Das Amtsgericht folgte der Auffassung der zweiten Ehefrau. Hiergegen legte der Sohn des Erblassers Beschwerde ein. Erst in der zweiten Instanz wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, woraus sich ergab, dass der Erblasser nicht testierunfähig war und die zweite Ehefrau des Erblassers Alleinerbin geworden war. Anschließend machte der Sohn gegen die zweite Ehefrau Pflichtteilsansprüche geltend. Diese berief sich auf die Einrede der Verjährung und wies die Pflichtteilsansprüche des Sohnes zurück, da mittlerweile vier Jahre vergangen waren, seit der Sohn Kenntnis vom Testament erhalten hatte. Der Sohn des Erblassers machte daraufhin im Wege der Stufenklage seine Pflichtteilsrechte gerichtlich geltend.

Das Oberlandesgericht Hamm entschied daraufhin mit Urteil vom 02.03.2023, Az. 10 U 108/21 🔗, dass die Pflichtteilsansprüche des Sohnes im vorliegenden Fall nicht verjährt sein.

Begründung:

Dies begründete es wie folgt: Zwar verjähren Pflichtteilsansprüche innerhalb von drei Jahren, wobei die Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners erlangt hat. Diese Voraussetzungen seien nach dem OLG Hamm vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Voraussetzung ist die Kenntnis von der enterbenden letztwilligen Verfügung, wobei der Pflichtteilsberechtigte den wesentlichen Inhalt der beeinträchtigenden Verfügung erkannt haben muss. Diese Kenntnis kann aber fehlen, wenn der Berechtigte irrtumsbedingt davon ausgeht, dass die ihm bekannte letztwillige Verfügung unwirksam sei. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen seien, wie in dem vorliegenden Fall. Da hatte das Gericht in zweiter Instanz diesbezüglich ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Erst wenn die berechtigten Zweifel ausgeräumt wurden, ist davon auszugehen, dass der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung hatte und damit die Verjährungsfrist hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche zu laufen beginnt. Danach waren die Pflichtteilsansprüche des Sohnes noch nicht verjährt.

Sie haben noch Fragen zur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen oder sind sich nicht sicher, ob Sie ihren Pflichtteil noch geltend machen können? Rufen Sie uns gerne an unter 02103 995 41 72 🔗 und vereinbaren einen Beratungstermin. Unsere Fachanwältin für Erbrecht 🔗 Frau Bösch 🔗 berät Sie gerne.