Die betriebliche Übung – Fragen und Antworten
Eine betriebliche Übung (auch Betriebsübung genannt) meint die regelmäßige Wiederholung bestimmter gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, die dazu führen, dass die Arbeitnehmer darauf vertrauen können, eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer zu erhalten.
Welche Rechte hat ein Arbeitnehmer durch eine betriebliche Übung?
Meistens ergeben sich aus einer betrieblichen Übung Zahlungsansprüche.
Eine betriebliche Übung bedeutet grundsätzlich eine Verbesserung der arbeitsvertraglichen Rechte des Arbeitnehmers. Sie führt zu einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrags. Das heißt die daraus entstehenden Rechte des Arbeitnehmers können direkt aus dem Arbeitsvertrag abgeleitet werden.
Wann liegt eine betriebliche Übung vor?
Ein klassisches Beispiel für eine betriebliche Übung ist eine jährliche Sonderzahlung wie etwa ein Weihnachtsgeld, welches der Arbeitgeber mehrere Jahre lang in gleicher Weise gewährt wird. Etwa indem die Höhe des Weihnachtsgeldes immer dieselbe ist (z.B. 1.000,00 EUR) oder dass es immer in derselben Weise berechnet ist (z.B. ein halbes Monatsgehalt).
Dabei ist es für die betriebliche Übung typisch, dass die begünstigten Arbeitnehmer an sich keinen arbeitsvertraglichen (oder auch tarifvertraglichen) Anspruch auf diese Begünstigung haben.
Die Leistung wird also „einfach so“ gewährt, d.h. ohne Rechtsgrundlage oder Vereinbarung.
Eine solche Rechtsgrundlage wird nach der ständigen Rechtsprechung erst durch die betriebliche Übung selbst geschaffen und zwar nach einer über mindestens drei Jahre lang wiederholten Zahlung in gleichförmiger Weise.
Das bedeutet für die hiervon begünstigten Arbeitnehmer, dass sie ab dem vierten Jahr einen Anspruch auf dieselbe Leistung haben.
Die betriebliche Übung führt also zu dem Entstehen eines Rechtsanspruchs auf die wiederholte, gleichbleibende Leistung, die mit anderen Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis gleichgestellt ist.
Weitere Beispiele für betriebliche Übungen sind:
- die Anwendung bestimmter Tarifverträge zugunsten der Arbeitnehmer,
- die Gewährung von Jubiläumszuwendungen,
- die Zahlung von Essensgeld- oder Fahrtkostenzuschüssen,
- die Übernahme von Fortbildungskosten,
- die Bereitstellung eines Parkplatzes auf dem Firmengelände.
Auch wirtschaftlich sehr bedeutsame Dinge wie die Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung können auf einer betrieblichen Übung beruhen (vgl. § 1b Abs.1 Satz 4 BetrAVG 🔗).
Kann der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern?
Ja.
1. keine Regelmäßigkeit
Wenn der Arbeitgeber die von ihm gewährten Vergünstigungen nicht regelmäßig leistet, fehlt die erforderliche Regelmäßigkeit der Vergünstigung.
Beispiel: Der Arbeitgeber zahlt ohne vertragliche Verpflichtung erstmals im November 2013 ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehalts. Das wiederholt er im Jahr 2014. Im Jahr 2015 zahlt er nichts. Im November 2016 zahlt er wieder ein Weihnachtsgeld, diesmal in Höhe eines vollen Gehalts.
Hier ist keine betriebliche Übung entstanden, da das Weihnachtsgeld nicht regelmäßig, d.h. zumindest drei Jahre lang hintereinander ohne Unterbrechung, ausgezahlt worden ist.
2. Freiwilligkeitsvorbehalt
Die arbeitgeberseitige Erklärung, dass die Leistung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erfolge bzw. „keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen“ solle, (sog. Freiwilligkeitsvorbehalt), verhindert ebenfalls die Entstehung einer betrieblichen Übung. Ein solcher Vorbehalt muss jedoch genau formuliert sein, um rechtswirksam zu sein.
Es lohnt sich daher, diesen von unseren Fachanwältinnen prüfen zu lassen.
3. schwankende Zahlungshöhe
Bis 2015 konnten Arbeitgeber eine betriebliche Übung auch dadurch verhindern, dass Zahlungen zwar regelmäßig gewährt werden, aber in schwankender Höhe. Doch dann entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass eine Betriebsübung auch bei unterschiedlicher Höhe von Sonderzahlungen entstehen kann (BAG, Urteil vom 13.05.2015, Az.: 10 AZR 266/14).
Seit diesem Urteil steht fest, dass Arbeitnehmer auch bei Sonderzahlungen in schwankender Höhe und auf jeweils unterschiedlicher Berechnungsgrundlage grundsätzlich einen Anspruch aus betrieblicher Übung haben. Lediglich die Höhe dieses Anspruchs steht im „billigen Ermessen“ des Arbeitgebers.
Beispiel: Der Arbeitgeber zahlt ohne vertragliche Verpflichtung erstmals im November 2013 ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehalts, im Jahr 2014 zahlt er ein volles Gehalt und im Jahr 2015 pauschal 500,00 EUR aufgrund schlechter Auftragslage. Im nächsten Jahr ist die Lage noch schlechter, weshalb er im Jahr 2016 gar kein Weihnachtsgeld zahlen möchte.
Vor 2015 hätten die Arbeitsgerichte entschieden, dass hier keine „Gleichförmigkeit“ der Vergünstigung gegeben ist und daher eine Betriebsübung nicht entstehen konnte. Das ist seit Mai 2015 anders.
Nach diesem BAG-Urteil haben die Arbeitnehmer in unserem Beispiel auch im Jahre 2016 einen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld, d.h. gar nichts zu zahlen wäre nicht korrekt. Der Arbeitgeber ist jedoch frei darin, die Höhe des Weihnachtgeldes zu bestimmen.
Wie kann der Arbeitgeber eine einmal entstandene betriebliche Übung beseitigen?
Durch die betriebliche Übung entstehen – wie eingangs erläutert – Ansprüche des Arbeitnehmers, die zum Inhalt des Arbeitsvertrags werden.
Deshalb muss der Arbeitgeber auf eine einvernehmliche Aufhebung der betrieblichen Übung drängen oder notfalls eine Änderungskündigung (Hierzu demnächst mehr auf unserem Blog) aussprechen.
Man könnte nun daran denken, dass die durch die betriebliche Übung begründete Rechtslage durch eine weitere, abändernde Betriebsübung zu Ungunsten des Arbeitnehmers wieder geändert werden könnte. Man spricht hier auch von einer „negativen“ oder „gegenläufigen“ Betriebsübung.
Dies ist nach aktueller Rechtsprechung des BAG nicht mehr möglich. Eine gegenläufige Betriebsübung führt nicht zu einer Änderung der Rechtslage (BAG, Urteil vom 18.03.2009, Az.: 10 AZR 281/08 🔗).
Gerne prüfen wir für Sie ob tatsächlich eine betriebliche Übung vorliegt und besprechen gemeinsam mit Ihnen das bestmögliche Vorgehen in Ihrer Angelegenheit. Rufen Sie uns an unter 02103 995 41 73 🔗 und vereinbaren einen Beratungstermin.