Belegvorlagepflicht bei Pflichtteilsansprüchen?

In welchem Umfang muss der Erbe Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erteilen?

Nach OLG München, Urteil vom 23.08.2021, Az. 33 U 325/21. 🔗 und OLG Düsseldorf vom 06.07.2018, Az. 7 U 9/17. 🔗

Damit ein Pflichtteilsberechtigter seine ihm zustehenden Ansprüche berechnen und geltend machen kann, muss er zunächst Kenntnis über den Gesamtwert des Nachlasses haben. Zu diesem Zweck räumt § 2314 BGB ihm gegen den Erben sowohl einen Auskunfts- als auch einen Wertermittlungsanspruch ein. Oft verlangt der Pflichtteilsberechtigte vom Erben im Rahmen seines Auskunftsanspruchs die Vorlage entsprechender Belege. Doch ist der Erbe dazu auch verpflichtet?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss zwischen den verschiedenen Ansprüchen des § 2314 BGB unterschieden werden. § 2314 BGB unterscheidet zwischen einem Auskunftsanspruch und einem Wertermittlungsanspruch, welche gesondert geltend gemacht werden müssen.

Der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB

Das OLG München und das OLG Düsseldorf haben entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Belegvorlage hat. Demnach ist der Erbe nicht verpflichtet, Belege vorzulegen. Begründet wird dies damit, dass § 2314 I BGB nur auf § 260 BGB verweist. § 260 BGB enthält dabei keine allgemeine Pflicht zur Rechenschaftslegung und auch keine Pflicht zur Vorlage von Belegen.

Ausnahmsweise wird allerdings ein Anspruch auf Belegvorlage bejaht, soweit es um eine Auskunft über ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung geht.

Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB

Der Wertermittlungsanspruch hingegen umfasst die Vorlage von Unterlagen und die Erstellung von Wertgutachten. Er dient dazu, dem Pflichtteilsberechtigten Kenntnis über die Werthaltigkeit des Nachlasses zu verschaffen, damit dieser seinen Pflichtteil- und Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnen kann. Zu diesem Zweck muss der Verpflichtete dem Pflichtteilsberechtigten diejenigen Informationen zukommen lassen, die notwendig sind, um den Wert der Nachlassgegenstände ermitteln zu können.

Die Vorlage von Unterlagen ist insbesondere dann erforderlich, wenn

  • Unternehmen zum Nachlass gehören. Andernfalls ist dem Pflichtteilsberechtigten die Beurteilung des Wertes ohne Kenntnis der Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, zugrunde liegender Geschäftsbücher und ähnlicher Unterlagen nicht möglich.
  • Immobilien zum Nachlass gehören. Andernfalls ist die Beurteilung des Wertes ohne Kenntnis der Grundbuchauszüge, Grundrisszeichnung, Baubeschreibung sowie ggf. der Miet- und Pachtverträge nicht möglich.

Wird ein Wertgutachten übermittelt, ist der Wertermittlungsanspruch damit regelmäßig erfüllt.

Sollten weitere Fragen offen sein, kontaktieren Sie uns gerne unter 02103 995 41 72. Unsere Fachanwältinnen für Familienrecht sowie Fachanwältin für Erbrecht verfügen über langjährige Erfahrung im Pflichtteilsrecht und beraten Sie gerne persönlich und umfassend!