Die verhaltensbedingte Kündigung und ihre Voraussetzungen

Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Kündigungsgrund, genau wie bei der personenbedingten Kündigung 🔗, in dem Pflichtenkreis des Arbeitnehmers. Dem Arbeitnehmer wird hier ein konkreter Verstoß gegen seine arbeitsvertraglich festgelegten Pflichten vorgeworfen.

Allerdings liegt der Grund bei einer verhaltensbedingten Kündigung immer in einem willensgesteuerten bzw. steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, während bei einer personenbedingten Kündigung ein nicht steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers den Kündigungsgrund darstellt.

Nach der Rechtsprechung muss für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung ein Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, dass bei verständiger Würdigung und Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.

Diese Definition ist sehr offen formuliert, weshalb die Rechtslage bei der verhaltensbedingten Kündigung stark durch Einzelfallentscheidungen geprägt ist. Deshalb muss bei jeder Kündigung eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden, bei der alle individuellen Umstände berücksichtigt werden müssen. Denn selbst wenn sich die Sachverhalte in einigen Punkten gleichen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung in einem Fall wirksam und im nächsten unwirksam sein.

In der Rechtsprechung haben sich Fallgruppen der verhaltensbedingten Kündigung herausgebildet:

  • Pflichtverstöße im Leistungsbereich (Bsp.: Arbeitsverweigerung  🔗)
  • Verstöße gegen die betriebliche Ordnung (Bsp.: Verstoß gegen Betriebsregeln, insb. Rauch-/Alkoholverbote)
  • Störungen im Vertrauensbereich (Bsp.: tätlicher Angriff, Diebstahl)
  • Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag (Bsp.: Weitergabe von Betriebsgeheimnissen)

Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung

Damit eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. pflichtwidriges Verhalten
  2. Verschulden
  3. Negativprognose
  4. vorherige Abmahnung
  5. kein milderes Mittel
  6. Interessenabwägung, die zugunsten des Arbeitgebers ausfällt

1. Pflichtwidriges Verhalten

Damit eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, muss der Arbeitnehmer gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen haben.

In Betracht kommt sowohl ein Verstoß gegen Hauptleistungspflichten als auch gegen Nebenpflichten. Die Hauptleistungspflichten eines Arbeitnehmers beinhalten vor allem die Beachtung der erteilten Arbeitsanweisungen sowie die Pflicht, seine arbeitsvertragliche Leistung zu erbringen.

Im Rahmen der Nebenpflichten muss ein Arbeitnehmer darüber hinaus Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers nehmen. Er ist verpflichtet, die betriebliche Ordnung zu wahren. Darüber hinaus hat ein Arbeitnehmer Verschwiegenheitspflichten, Anzeige- und Auskunftspflichten sowie Treue- und Sorgfaltspflichten zu beachten, z.B. pfleglicher Umgang mit dem Eigentum des Arbeitgebers (Arbeitsmaterial).

Allerdings reicht zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung nicht jede Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten aus. Vielmehr muss die Pflichtverletzung ein gewisses Gewicht haben, sodass eine konkrete Beeinträchtigung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet wird.

Hier ist nach dem Bundesarbeitsgericht auf die Sicht eines ruhigen und verständig urteilenden Arbeitgebers abzustellen und zu prüfen, ob sich ein solcher Arbeitgeber durch das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zur Kündigung veranlasst gesehen hätte (BAG, Urteil vom 02. November 1961, Az: 2 AZR 241/61).

2. Verschulden

Der Arbeitnehmer muss diese Pflichtverletzung grundsätzlich in schuldhafter Weise begangen haben. Er muss also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.

Hat der Arbeitnehmer nicht schuldhaft gehandelt, scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel aus. Stattdessen kann aber eine personenbedingte Kündigung 🔗 in Betracht kommen.

3. Negativprognose

Deshalb muss der Arbeitgeber eine sogenannte „negative Zukunftsprognose“ darlegen und beweisen.

negative Zukunftsprognose

Danach muss aufgrund des bisherigen Verhaltens des Arbeitnehmers auch in der Zukunft mit negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkenden Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers zu rechnen sein.

Nur bei einer derartigen Wiederholungsgefahr ist eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt. Hierbei gilt, je schwerer das Verschulden des Arbeitnehmers wiegt, desto eher ist eine negative Zukunftsprognose anzunehmen.

Eine negative Zukunftsprognose für das Arbeitsverhältnis kann sich auch daraus ergeben, dass durch das Verhalten des Arbeitnehmers die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist.

4. vorherige Abmahnung

Ohne vorherige ordnungsgemäße Abmahnung ist die verhaltensbedingte Kündigung unwirksam. (Wann eine Abmahnung wirksam ist, erfahren Sie demnächst auf unserem Blog.)

Ausnahmsweise kann eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne eine zuvor erteilte Abmahnung wirksam sein. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Fällen:

  1. Wenn bereits bei Ausspruch der Abmahnung erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach der Abmahnung nicht zu erwarten ist.
  2. Wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis schon bei dem erstmaligen Verstoß offensichtlich unzumutbar ist.

5. kein milderes Mittel

Des Weiteren darf kein geeignetes, milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung stehen, um zukünftige Vertragsverletzungen zu vermeiden. Erklärt der Arbeitgeber die Kündigung, obwohl es ein milderes Mittel gegeben hätte, so ist die Kündigung unwirksam.

Als milderes Mittel kommt, neben der Abmahnung, die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz in Betracht, sofern dort keine weiteren Vertragsverstöße zu befürchten sind.

6. Interessenabwägung

Schließlich hat der Arbeitgeber bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen noch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss dabei das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen, andernfalls ist die Kündigung unwirksam..

Es kommt hier auf die Art, Schwere und Häufigkeit des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers an.

Auf Seiten des Arbeitnehmers sind dabei zu berücksichtigen:

  1. früheres einwandfreies Verhalten
  2. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  3. Lebensalter
  4. Unterhaltspflichten
  5. Arbeitsmarktsituation

Auf Seiten des Arbeitgebers sind insbesondere zu berücksichtigen:

  1. Betriebsstörungen
  2. Arbeits- und Betriebsdisziplin
  3. Vermögensschaden
  4. Wiederholungsgefahr

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