Ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch zeitlich begrenzt?

Dem Pflichtteilsberechtigten steht neben seinem Pflichtteilsanspruch aus § 2314 BGB 🔗 zusätzlich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB zu, wenn der Erblasser vor seinem Tod Schenkungen an Dritte vorgenommen hat, sodass der Nachlass dadurch geschmälert wurde.

Werden alle jemals getätigten Schenkungen, unabhängig von einer zeitlichen Begrenzung, berücksichtigt?

Grundsätzlich gilt hierbei die 10 Jahres Frist. Es werden beim Pflichtteilergänzungsanspruch alle Schenkungen berücksichtigt, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers vorgenommen worden sind, § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB.

Ausnahme: 

  • bei Schenkungen unter Ehegatten
  • bei der Einräumung eines Nießbrauchsrechts zugunsten des Erblassers

Wann beginnt die 10 Jahres Frist zu laufen?

Die Frist beginnt mit Vollzug der Schenkung. Bei beweglichen Sachen also mit Übergabe der Sache/der Geldscheine. Bei Immobilien bzw. Grundstücken mit der Umschreibung im Grundbuch.

Voraussetzung ist allerdings, dass der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch, dass er darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiter zu nutzen (vgl. BGH Urt. v. 29.06.2016, Az.: IV ZR 474 🔗).

Sind die Schenkungen in voller Höhe anszusetzen?

Eine vollständige Einbeziehung der Werte der Schenkung (also zu 100%), erfolgt nur dann, wenn der Erbfall innerhalb eines Jahres nach dem Vollzug der Schenkung eintritt.

Beispiel:  Schenkung 100.000,00 €                                      20.03.2022

Eintritt des Erbfalls (Todestag)                            02.01.2023

Seit der Schenkung ist noch kein volles Jahr vergangen, sodass die 100.000,00 € zu 100% bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigen sind.

Ist der Erbfall nicht innerhalb eines Jahres nach dem Vollzug der Schenkung eingetreten, sondern liegt länger zurück, so reduziert sich der zu berücksichtigende Wert jedes Jahr um 10%.

Beispiel:  Schenkung 500.000,00 €                                       20.03.2015

Eintritt des Erbfalls (Todestag)                             04.01.2020

Seit der Schenkung sind vier volle Jahre vergangen, womit sich der zu berücksichtigende Wert um 40% reduziert/abschmilzt. Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs können von den 500.000,00 € nur 300.000,00 € (60%) berücksichtigt werden.

Für die Abschmelzung kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf die verstrichenen vollen Jahre an, eine monats- oder tageweise Betrachtung findet nicht statt.

Wann verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Die Verjährungsfrist des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beträgt in der Regel drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen, also der Schenkung, erhalten hat (§§ 195, 199 BGB).

Ohne Rücksicht auf die Kenntnis verjährt der Anspruch in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs.

 

Sollten noch Fragen offen sein, melden Sie sich gerne telefonisch unter 02103 995 41 72. Unsere Fachanwältin Frau Raguz 🔗 für Familienrecht 🔗 mit Schwerpunkt Erbrecht, sowie Fachanwältin Frau Bösch für Erbrecht 🔗 verfügen über langjährige Erfahrung im Pflichtteilsrecht und beraten Sie gerne persönlich und umfassend!